Respekt, Liebe und Kommunikation sind wichtige Werte im Leben von Sanja. Sie wünscht es sich auch in stressigen Situationen liebevoll und empathisch mit ihren Kindern sein zu können. Doch manchmal gelingt es einfach nicht, sie wird laut und schimpft. Kennst du das auch? Und denkst du manchmal: «Hilfe! Ich schreie mein Kind an.»?
Sanja hat in weniger als einer Stunde ein Meeting auf der Arbeit, eigentlich müsste sie schon vor 5 Minuten im Richtung Kita losgefahren sein.
Sie hat ihre Kinder, so wie sie es gelesen hat, 10, 5 und 3 Minuten vorher erinnert, dass es gleich losgeht. Ihre Tochter Mila scheint sie jedoch gar nicht wahrzunehmen. Langsam wird es echt knapp. “Jetzt reichts aber!” schnautz sie. Mila erschrickt und beginnt zu weinen. Sanja zieht sie von den Spielsachen weg und zur Haustür. Das Anziehen dauert gefühlt ewig.
Endlich sind die beiden im Auto. Mila ist ganz zerknirscht und Sanja hat ein furchtbar schlechtes Gefühl. Eigentlich hatte sie sich doch vorgenommen Mila spielerisch dazu zu bringen sich anzuziehen. Auf keinen Fall wollte sie das Mädchen zwingen oder anschreien. Es tut ihr leid, aber ihr fehlen die richtigen Worte. Sie macht sich selbst Vorwürfe und hat ein schlechtes Gewissen.
Zwar schafft Sanja es gerade noch pünktlich zum Meeting, aber sie wünschte sich, der Morgen wäre anders verlaufen. Sie seufzt und wundert sich, wie sie wohl schaffen könnte das nächste Mal ruhig zu bleiben bei ihrem Kind und die Situation in Einklang mit ihren Werten zu lösen.
In diesem Artikel
In 7 Schritten zu mehr Gelassenheit
Gehörst du zu den Mamas, die sich immer mal wieder die Frage stellen “wie schaffe ich es, mein Kind nicht mehr anzuschreien?» Dann möchte ich dir gerne sagen, dass du eine wunderbare Mutter bist. Denn du machst dir Gedanken, möchtest etwas ändern und glaubst daran, dass dies möglich ist.
Wir lassen uns gerne zu dem Gedanken hinreissen, dass nur das Kind sich etwas anders verhalten müsste und alles wäre gut. Doch am Nachhaltigsten gelingt eine Veränderung, wenn du deine Geschichte mit ins Boot nimmst. Gerade in diesen Momenten, wo du am heftigsten reagierst, hast du das grösste Potential zu wachsen.
Das ist nicht nur cool für dein Kind, sondern auch für dich – denn du wirst wirst nicht nur im Umgang mit deinen Kindern entspannter und im Familienalltag zufriedener – du nimmst diese neuen Eigenschaften mit in den Rest deines Lebens.
1. «Hilfe, ich schreie mein Kind an!» – wie du stattdessen in Notsituationen die Nerven behältst
Der erste Schritt ist, dass du dir eine Technik aneignest, welche dir hilft in Akutsituationen nicht zu explodieren. So verhinderst du zwar nicht, dass dein Kind dich triggert, aber es gibt dir eine Möglichkeit, die Situation ruhiger zu meistern. Das wird auch nicht immer klappen, aber jedes Mal wo es klappt, ist ein super Erfolgserlebnis.
Solche Veränderungen sind immer ein Prozess. Erwarte nicht, dass du von einem Tag auf den anderen nur noch gelassen reagierst. Sei stolz auf jeden Moment, wo es dir gelingt Konflikte konstruktiv zu lösen und in Beziehung zu deinem Kind zu bleiben.
Ich habe dir dazu ein Tool erstellt mit einem Merkblatt zum Ausdrucken, damit du dies immer zur Hand hast. Du findest es hier:
Auch Sanja hat sich diese Vorlage heruntergeladen. Damit ist es ihr gelungen zu erkennen, dass sie dabei ist in den Notmodus zu fallen und ihre Tochter anzuschreien. Es gelingt ihr immer öfter den Stop-Knopf zu drücken und Mila doch noch spielerisch zum Anziehen zu ermuntern.
2. Nach einer Stress-Situation gut zu dir selbst sein
Egal was passiert ist während einer stressigen Situation, sei nachsichtig mit dir und mit deinem Kind. Wenn du etwas bereust, was du getan oder gesagt hast, dann überlege, wie du es das nächste Mal anders machen möchtest. Es bringt nichts dir Vorwürfe zu machen. Es ist ok und es geht ganz ganz vielen Eltern genau so wie dir.
Entschuldige dich bei deinem Kind, wenn du etwas gesagt hast, was nicht angebracht war und du geschimpft hast. Sanja könnte zu Mila so etwas sagen wie: “Phu, nun ist Mama ganz schön unter Zeitdruck gekommen. Es tut mir leid, dass ich laut geworden bin und dich nicht habe selber machen lassen. Lass uns beim nächsten Mal eine bessere Lösung finden.”
Das hilft nicht nur Mila, die nun spürt, dass sie nicht verkehrt ist. Auch für Sanja gibt es eine Entspannung, wenn sie es schafft die Verbindung mit Mila wieder aufzubauen. So kann sie sich selbst besser dafür verzeihen, dass sie sich anders verhalten hat, als sie es vor hatte.
Falls du sehr aggressiv wirst oder sogar einmal grob mit deinem Kind warst, dann hole dir Hilfe. Es gibt viele kostenlose Angebote von Elternvereinen. Nimm diese in Anspruch und lasse dich unterstützen.
Dass du nun gerade diesen Artikel liest, bedeutet ja, dass du dir Gedanken machst und dabei bist etwas zu ändern. Das ist super. Gib dir Zeit und bleib dran, so wirst du deinem Ziel immer näher kommen.
Vielleicht macht es aber auch Sinn, dass du dein Ziel überdenkst. Zum Beispiel, wenn du sehr hohe Ansprüche an dich als Mutter hast.
3. Dein Mutter-Bild
Möchtest du eine gute Mutter sein und hast hohe Ansprüche, was dies alles beinhaltet? Das kann wahnsinnig anstrengend sein. Diese Erwartungen an sich und andere erzeugen einen grossen Druck.
Bist du dir bewusst, woher dein Bild einer guten Mutter kommt? Hast du das bei deiner Mama abgeschaut? Welche Anteile hast du von der Gesellschaft und deinem Umfeld übernommen? Sind dies die Werte, die du auch wirklich leben möchtest?
Lass diese Fragen etwas auf dich wirken und überlege, was du für eine Mama sein möchtest und wie realistisch das ist. Deine Glaubenssätze im Zusammenhang damit, was eine gute Mutter alles sollte, müsste und nicht dürfte, können dir das Leben ganz schön schwer machen. Sie stressen nicht nur dich, sondern können auch zu mehr Konflikten in der Familie führen.
4. Das Frust-Töpfchen
Wir alle haben tragen Frust-Töpfchen bei uns. Darin können wir den ganzen Tag Stress, Unzufriedenheit und Frust sammeln. Überläuft das Töpfchen, dann müssen wir den Stress dringend abbauen. Bei Erwachsenen reissen in diesem Moment die Nerven, wir explodieren, schimpfen oder schreien. Bei Kindern kann sich dies in einem Wutanfall oder aggressivem Verhalten äussern.
So ist es besser, wir leeren dieses Töpfchen regelmässig. Erwachsene können das besser als Kinder. Wir können entspannende Dinge tun, Zeit für uns selbst nehmen, lachen, meditieren, Sport machen, in die Natur gehen oder Hampelmänner hüpfen. Aktivitäten die wir mit den Kindern gemeinsam machen sind besonders toll, weil es beide Töpfchen auf einmal leert.
Wenn das Töpfchen voll ist, können wir auch mit entspanntem Atmen wieder etwas leeren, wie ich es dir bei “Mama, nicht die Nerven verlieren” erkläre:
Ist das Töpfchen des Kindes voll, dann kann es dies mit Schreien, einem Wutanfall oder damit wieder leeren, dass es Dinge wirft. Das ist gesund und soll auch so sein, du musst dies nicht verhindern. Wichtig ist nur, dass sich niemand dabei verletzt und nichts kaputt geht. Alle Emotionen sind ok, doch nicht jedes Verhalten ist erlaubt.
Gelingt es dir als Mama dein Töpfchen immer wieder zu leeren, hast du mehr Nerven übrig, um solche Wutanfälle auch auszuhalten.
5. Muss ich denn überhaupt ruhig bleiben?
Eltern können den Eindruck haben, sie müssten immer wie ein buddhistischer Mönch neben den Kindern herschweben, wenn diese alle Trigger nacheinander drücken. Das wird kaum je gelingen und soll es ja gar nicht. Deine Emotionen wollen auch gefühlt werden.
Viele von uns haben als Kinder nicht gelernt einen vernünftigen Ausdruck für unsere Gefühle zu finden. Nur die Gefühle, welche wir als “positiv” betrachten, waren erwünscht. Alle anderen, wie Wut, Angst oder Trauer sollten besser unterdrückt werden.
Genau dieses Unterdrücken macht es uns heute als Eltern schwer, diese Gefühle bei unseren Kindern zuzulassen. Vielleicht spiegeln die Kinder sogar unsere unterdrückten Emotionen und leben diese besonders heftig aus.
Aus diesem Grund ist es ganz wichtig, dass wir lernen unsere Gefühle wahrzunehmen, zuzulassen und einen guten Umgang damit finden.
6. Mein Kind trifft immer meine wunden Punkte, darum schreie ich mein Kind an
Wenn du nun Möglichkeiten hast, in stressigen Momenten entspannter zu bleiben und deine Gefühle auch mal zuzulassen, gilt es etwas tiefer zu schauen. Denn wir werden teilweise immer wieder von den gleichen Situationen getriggert. Dabei scheint es gar nicht viel zu brauchen und wir sind auf 180. Diese Trigger zu erkennen und zu entschärfen bringt nachhaltig eine Veränderung.
Kinder kennen uns in- und auswendig, sie wissen ganz genau, wo unsere wunden Punkte oder Trigger sind. Werden diese gedrückt, dann braucht es sehr wenig, damit wir explodieren. Die Kinder machen das jedoch nicht etwa, um uns zu ärgern. Sie sind selbst in einer Form von Not, Stress oder Unwohlsein und dies ist ihre Taktik, um darauf aufmerksam zu machen.
Unsere Kinder sind nie die Ursache für unsere Wut, sie sind nur der Auslöser. Die Ursache liegt in uns selbst verborgen und kann nur dort gelöst werden.
Statt zu versuchen die Kinder davon abzuhalten, diese Trigger zu drücken (was kaum gelingen wird), ist es viel nachhaltiger, diese aufzulösen. Natürlich ist da einiges an Arbeit dahinter. Doch am Ende gewinnst du damit nicht nur Gelassenheit für den Umgang mit deinen Kindern, sondern für dein ganzes Leben.
Denn die Verletzungen, Prägungen, Muster und Glaubenssätze die dahinterstehen können uns das Leben auch in ganz anderen Bereichen ganz schön schwer machen. Nur ist es dort oft nicht ganz so offensichtlich, wie wenn wir am Ende unserer Nerven angelangt sind im Umgang mit unserem Kind.
7. Grenzen wahren
Im Zusammenhang mit Kindern fällt immer wieder das Wort «Grenzen», damit werden verschiedenste Dinge gemeint. Oft handelt es sich um willkürlich gewählte Regeln, an die sich Kinder halten sollen. Darum geht es hier nicht.
Kennst du deine persönlichen Grenzen? Weisst du, wann eine solche Grenze überschritten wurde?
Oft fühlt es sich ähnlich an, wie wenn Kinder einen wunden Punkt in Form eines Glaubenssatzes treffen. Gewisse Grenzen erreichen wir sofort, wenn das Kind etwas tut oder sagt, was für uns überhaupt nicht akzeptabel ist. Die meisten Grenzen sind jedoch eher weich und flexibel; an manchen Tagen sind sie schnell erreicht, an anderen überhaupt nicht.
Eine solche Grenze kann das Vorlesen sein – du geniesst das Kuscheln und die gemeinsame Zeit. Doch nach dem 5ten Mal ein neues Buch auswählen ist deine Grenze schon längst überschritten und du wirst laut. Vielleicht hättest du das schon beim dritten Buch gespürt, aber hast in dem Moment deine Grenze nicht gespürt oder nicht durchgesetzt.
In der Familie bringt es sehr viel Klarheit für alle Mitglieder, wenn jeder seine Grenzen kommuniziert und die anderen diese wahrnehmen. Das bedeutet nicht, dass diese immer gewahrt werden können. Vielleicht entstehen daraus sogar Konflikte. Was sogar gut ist, denn Konflikte sind wichtig.
Extra: Konflikte sind wichtig
Der letzte Schritt im Weg zu einem entspannten Umgang mit deinem Kind liegt in der Kommunikation. Kinder möchten, genau so wie Erwachsene auch, respektiert und auf Augenhöhe behandelt werden. Das bedeutet nicht, dass du deinem Kind jeden Wunsch von den Augen ablesen solltest. Überhaupt nicht.
Wichtig ist, dass du die Meinung und Bedürfnisse deines Kindes ernst nimmst. Gemeinsam kann geschaut werden, wo Kompromisse möglich sind und wie möglichst alle Bedürfnisse erfüllt werden können. Ist dies nicht möglich, dann ist es an dir, die Reaktion des Kindes auzuhalten. Ist dein Frust-Topf noch nicht voll, wird dies vielleicht gar nicht so schwer sein.
Kinder brauchen Konflikte. Nur wenn sie genügend oft geübt haben, wie Konflikte gelöst werden können, lernen sie dies für ihr Leben. Erschwerend für uns ist es, dass wir oft gar nicht gelernt haben wie das geht. Doch auch dafür ist es nie zu spät und wie auch beim Auflösen der Trigger, bringt uns diese Fähigkeit nicht nur im Umgang mit den Kindern etwas, sondern in jedem Bereich deines Lebens.
Möchtest du diese 7 Stationen zu mehr Gelassenheit gerne im Detail betrachten und für dich Schritt für Schritt durcharbeiten? Dann sei beim Kurs dabei:
Goni Boller ist Mama Coach und Mentorin für Mütter, die sich mehr Gelassenheit und Freude im Familienalltag wünschen. Sie unterstützt mit ihrem Coaching, ihren Programmen und Seminaren Eltern, die mit ihren Kindern liebevoll und auf Augenhöhe umgehen möchten. Sie unterstützt sie dabei, nicht mehr laut zu werden und einen konstruktiven Umgang mit ihrer Wut zu finden. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt und die Bedürfnisse aller werden berücksichtig. Dabei teilt sie ihr geballtes Wissen aus der Hirnforschung, Psychologie und über die kindliche Entwicklung.