Sind die Kinder zu laut, der Tag zu hektisch, die Rückzugsmöglichkeiten zu klein und die Haut zu dünn? Dann bist du vielleicht hochsensibel oder hochsensitiv.

Das Wissen um die eigene Hochsensibilität bei Eltern kann uns den Alltag mit Kindern stark erleichtern. Denn auch für Hochsensible ist es möglich relativ entspannt durch den Alltag zu kommen, sowie inneres Gleichgewicht und emotionale Stärke zu finden.

Diese Behauptung stelle ich nicht etwa einfach so auf, sondern berufe mich auf verschiedene Literatur zu dem Thema und allem voran meiner eigenen Erfahrung als hochsensible Mutter von zwei Kindern. 

Elternschaft ist eine der anspruchsvollsten und lohnendsten Aufgaben, der sich Menschen im Laufe ihres Lebens stellen können. Doch für hochsensitive Eltern kann diese Reise noch herausfordernder sein. Hochsensibilität, ein Persönlichkeitsmerkmal, das erstmalig von der Psychologin Elaine Aron in den 90ern erforscht wurde, bezieht sich auf eine erhöhte Sensibilität gegenüber Reizen, wie Geräuschen, Lichtern und emotionalen Signalen. Es ist eine Eigenschaft, die bei rund 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung auftritt und tiefgreifende Auswirkungen auf das tägliche Leben haben kann. Sie nannte diese Menschen «High Sensitive Person» (HSP).

Für hochsensible Eltern ist die Herausforderung, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu verstehen und gleichzeitig mit ihren eigenen intensiven Empfindungen umzugehen, besonders spürbar. In diesem Artikel erkunden wir die Welt der hochsensitiven Eltern und wie sie den Schlüssel zur inneren Balance und emotionalen Stärke finden können, um ihre Kinder liebevoll und unterstützend zu erziehen.

Bist du hochsensibel?

Vielleicht bist du noch unsicher, ob du tatsächlich selbst hochsensitiv bist. Darum möchte ich dir hier ein paar Anhaltspunkte dazu präsentieren. Die Liste stammt aus dem Buch «Hochsensible Eltern: Zwischen Empathie und Reizüberflutung – wie Sie Ihrem Kind und sich selbst gerecht werden» von Elaine Aron:

  • Ich fühle mich von zu viel Sinnesreizen leicht überwältigt.
  • Ich nehme in meiner Umgebung auch Feinheiten wahr.
  • Die Launen anderer Leute machen mir etwas aus.
  • Ich neige zu Schmerzempfindlichkeit.
  • An hektischen Tagen habe ich das Bedürfnis, mich zurückzuziehen – ins Bett, in einen abgedunkelten Raum oder an einen Ort, an dem ich für mich sein und die Reizüberflutung abblocken kann.
  • Koffein wirkt bei mir besonders stark.
  • Helles Licht, starke Gerüche, kratzige Kleidung oder Sirenen in nächster Nähe lösen bei mir Unwohlsein aus.
  • Ich habe ein reiches, komplexes Innenleben.
  • Laute Geräusche belasten mich.
  • Kunst oder Musik rühren an mein Innerstes.
  • Mein Nervenkostüm wird manchmal so dünn und fadenscheinig, dass ich mich unbedingt zurückziehen muss.
  • Ich bin gewissenhaft.
  • Ich erschrecke leicht.
  • Ich werde nervös, wenn ich viel zu tun und nur wenig Zeit habe.
  • Wenn Menschen sich in ihrem Umfeld nicht wohlfühlen, weiß ich im Allgemeinen, was zu tun ist, damit es ihnen besser geht (zum Beispiel das Licht dimmen oder die Sitzgelegenheiten umstellen).
  • Es nervt mich, wenn Leute mir zumuten, viele Dinge gleichzeitig zu erledigen.
  • Ich tue mein Bestes, um keine Fehler zu machen oder nichts zu vergessen.
  • Wenn rund um mich viel Trubel ist, belastet mich das enorm.
  • Wenn ich sehr hungrig bin, kann ich mich nicht mehr konzentrieren, und meine Stimmung geht in den Keller.
  • Alle Veränderungen in meinem Leben erschüttern mich zutiefst.
  • Ich bemerke und genieße zarte, angenehme Gerüche, geschmackliche Empfindungen, Klänge und alle Arten von Kunstwerken.
  • Ich finde es unangenehm, wenn um mich herum viel los ist.
  • Ich tue mein Möglichstes, um mir das Leben so einzurichten, dass es nicht zu aufregenden oder mich überfordernden Situationen kommt.
  • Starke Reize wie laute Musik oder chaotische Szenen quälen mich förmlich.
  • Muss ich mich mit anderen messen oder werde ich bei meinen Aufgaben beobachtet, werde ich so nervös und zittrig, dass ich vieles schlechter mache als üblich.
  • Als ich noch klein war, haben meine Eltern bzw. meine Lehrer mich für schüchtern oder scheu gehalten

Wenn du mehr als 14 Aussagen mit «Ja» beantworten kannst, gehörst du vermutlich zu den Hochsensiblen. Obschon sensible Männer vielleicht nicht auf ganz so viele Ja-Antworten kommen.

Ich persönlich komme in diesem Test zu 18 ziemlich klaren «Ja» Antworten. Teilweise finde ich die Fragen etwas zu stark formuliert, wie beispielsweise «quälen mich förmlich». Auch kann ich mittlerweile bei gewissen Antworten sagen: «Das war früher so, doch nun kann ich mich besser abgrenzen.»

Das grosse Aha – meine Geschichte

Vielleicht hast du erst kürzlich (oder gerade eben bei dem Test) festgestellt, dass du hochsensibel bist. Dann erlebst du möglicherweise gerade, was ich vor etwa 8 Jahren gefühlt habe: Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. AHA – DARUM BIN ICH SO und ICH BIN NICHT ALLEIN <3

Ich dachte immer, ich wäre irgendwie komisch, anders,….. doch war ich «nur» hochsensibel. Nun gut, ich bin auch noch introvertiert und eine Scanner-Persönlichkeit, das macht mich vielleicht noch ein bisschen mehr «anders».

Unglaublich dankbar bin ich dafür, dass ich dieses Buch von Elaine N Aron in den Händen hielt und endlich realisierte, was mit mir los war. Es lagt nicht an mir, dass ich anders empfand oder Dinge auf eine unterschiedliche Weise erlebte – das war ein Persönlichkeitsmerkmal, welches jede 5te oder 6te Person mit mir teilt. Das war ein schönes Gefühl.

So startete ich bewusst und achtsam in meine Elternschaft. Trotzdem überreize ich regelmässig. Gleichzeitig gelingt es mir in sehr vielen Situationen, mich rechtzeitig abzugrenzen oder zurückzuziehen. Ich glaube jedoch auch, dass das als Eltern gar nicht immer möglich ist. Die Kinder sind da, die Kinder brauchen an manchen Tagen ihre Eltern sehr intensiv und es bleibt kaum Raum sich zurückzuziehen. An diesen Tagen ist tendentiell auch alles lauter, aufgeregter und schwieriger als sonst.

Diese Tage kenne ich und ich weiss, wie es sich anfühlt überreizt zu sein. Durch meine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema kenne ich zum Glück Wege, wie ich wieder in meine Mitte finde und mich entspannen kann. Wider besseres Wissens, gelingt es mir jedoch nicht immer. Nein, auch ich bin weit davon entfernt perfekt zu sein, obschon ich es gerne wäre (typisch hochsensibel).

Immer wieder finden feinfühlige Mütter oder Mamas von sensiblen Kindern oder hochsensitive Mamas von hochsensiblen Kindern zu mir ins Coaching. Das finde ich wunderschön, denn ich empfinde die Zusammenarbeit mit ihnen als sehr bereichernd. Wenn du dir auch Unterstützung wünschst, dann kannst du mich unter goni@mamaleicht.ch erreichen oder du buchst dir ein Kennenlerngespräch mit mir.

Hochsensibilität Symptome

Bist du auf der Suche nach «Symptomen» der Hochsensibilität? Ich nenne diese lieber Eigenschaften, denn diese haben alle positive und herausfordernde Anteile. Welche davon kennst du auch?

Hochsensitivität ist möglicherweise eine kontinuierliche Eigenschaft, also jedes Merkmal kann stärker oder weniger stark ausgeprägt sein. Hier sind jedoch einige häufige Anhaltspunkte oder Symptome für dich, die darauf hinweisen können, dass jemand hochsensibel ist:

  1. Intensive emotionale Reaktionen: Hochsensible Menschen erleben oft sehr intensive emotionale Reaktionen auf äussere Reize oder innere Gedanken und Gefühle. Sie können tief berührt oder leicht überwältigt sein.
  2. Empfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen: HSP nehmen Reize wie Geräusche, Lichter, Gerüche und Berührungen oft stärker wahr als andere. Sie können empfindlicher auf laute Umgebungen oder grobe Stoffe reagieren.
  3. Tiefe Empathie: Hochsensibilität bei Eltern zeigt sich oft über eine tiefe Empathie und die Fähigkeit, sich gut in die Gefühle anderer einzufühlen. Sie neigen dazu, die Bedürfnisse und Emotionen anderer Menschen besonders intensiv zu spüren.
  4. Starkes Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug: HSP brauchen häufig Zeit allein oder in ruhiger Umgebung, um sich von sensorischen Überlastungen zu erholen.
  5. Überdurchschnittliche Aufmerksamkeit für Details: Sie bemerken oft subtile Details und Nuancen in ihrer Umgebung, was sie in bestimmten Berufen oder kreativen Tätigkeiten besonders präzise machen kann.
  6. Starkes Gewissen und Perfektionismus: Feinfühlige Menschen neigen dazu, ein starkes Gewissen zu haben und hohe ethische Standards zu setzen. Sie können auch dazu neigen, sich selbst hohe Anforderungen zu stellen.
  7. Intensive Träume und innere Gedankenwelt: Sie haben oft eine reiche innere Gedankenwelt und intensive Träume, die sie tief bewegen.
  8. Leichte Überforderung in stressigen Situationen: Hochsensible Menschen können sich in stressigen oder überreizenden Situationen leicht überfordert fühlen und Zeit benötigen, um sich zu erholen.
  9. Negative Energie spüren: Wenn HSP in einen Raum kommen, in dem «schlechte Stimmung» herrscht, fühlen sie dies oft sofort. Auch nach einem Streit kann es sich für Hochsensible so anfühlen, als würde die Energie davon noch in der Luft hängen.

Was weiss man über Hochsensibilität

Die Geister scheiden sich daran, was Hochsensitivität ist und ob diese überhaupt «diagnostiziert» werden kann. Ich finde das gar nicht nötig, da es sich um ein Persönlichkeitsmerkmal handelt. Wenn sich jemand für hochsensibel hält, dann wird diese Person von den Tipps für Hochsensitive höchstwahrscheinlich profitieren können.

Innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft herrscht keine einheitliche Meinung darüber, wie Hochsensibilität am besten in ein Schema passen könnte. Die meisten Experten stimmen zu, dass es Menschen gibt, die empfindlicher auf ihre Umgebung reagieren und schneller von Reizüberflutung betroffen sind als andere. Trotzdem ist man sich uneinig, ob Hochsensibilität das am besten geeignete Konzept ist, um dieses Phänomen zu erfassen. Einige Experten betrachten es eher als eine Variante des Neurotizismus, eines Persönlichkeitsmerkmals aus dem «big five», eines in der Psychologie etablierten Persönlichkeitsmodells.

Die Ruhr Universität Bochum schreibt zum Stand ihrer Forschung Folgendes: Bei der Hochsensibilität handelt es sich nicht um spezifisches Merkmal, sondern es gäbe verschiedene Arten davon. Auch wird diskutiert, ob es sich bei der Hochsensibilität um ein Kontinuum handelt und Hochsensible somit ein Extrem sind eines Merkmals, welches in jeder Person unterschiedlich ausgeprägt ist oder ob es sich um ein distinktes Merkmal handle. 

Einige Forscher vermuten, dass Hochsensibilität auf das Zusammenspiel verschiedener Gene zurückzuführen sein könnte, die sich gegenseitig beeinflussen und verstärken. Unklar ist, ob Hochsensible stärker über ihre Sinnesorgane wahrnehmen oder dies erst im Gehirn passiert. Sie verfügen über eine spezielle Verarbeitung von Sinnesreizen, die in Fachkreisen als «sensory processing sensitivity» bezeichnet wird. Vielleicht auch beides. Was hinzu kommt, ist wahrscheinlich eine zusätzliche stärkere Weiterleitung der Reize. Es konnte gemessen werden, dass in hochsensitiven Personen grössere Mengen entsprechender Botenstoffe (Neurotransmitter) vorhanden sind.

Eine alternative Erklärung besteht darin, dass das Verhaltenshemmsystem des Gehirns bei hochsensiblen Menschen besonders ausgeprägt ist. Dieses bewirkt, dass wir erst eine kurze Denkpause einlegen, bevor wir uns in die Handlung stürzen. Bei nicht-hochsensiblen Menschen dominiert eher das Verhaltensaktivierungssystem, welches eine raschere Reaktion bewirkt und wo die Neugierde und ein Streben nach Erfolg im Vordergrund steht.

Hochsensibilität und Erziehungsstile

Was ich besonders spannend finde, auch im Umgang mit unseren Kindern, ist die unterschiedliche Reaktion auf Erziehungsstile.

Hochsensible profitieren ganz besonders von einem einfühlsamen Umgang. Nicht-hochsensitive Kinder scheinen weniger empfindlich auf einen autoritären, wenig einfühlsamen Umgang zu reagieren.

Wenn wir selbst eine wenig feinfühlige Erziehung erlebt haben, so kann uns diese heute die eigene Elternschaft herausfordernder gestalten, weil wir stärker darunter gelitten haben. Wir tragen heute Glaubenssätze und Prägungen von damals in uns. Diese melden sich dann gerne in stressigen Situationen wieder zu Wort, wo wir plötzlich unsere Eltern in unseren Worten hören. Dabei wollten wir doch so nie sein.

Hochsensible Mutter

Zum Glück können wir auch heute noch etwas an diesen Glaubenssätzen und Prägungen ändern, nichts ist in Stein gemeisselt. Gerne unterstütze ich dich dabei im Coaching.

Hochsensibel, sensitiv, feinfühlig?

Es gibt verschiedene Bezeichnungen für Hochsensibilität. Dabei ist es nicht möglich, diese wirklich voneinander zu differenzieren.

Hier möchte ich trotzdem einige Synonyme mit dir teilen:

  • Hochsensitiv
  • Zart besaitet
  • Rührselig
  • Zartfühlend
  • High Sensitive Person (HSP)
  • Mimosenhaft
  • Fein besaitet
  • Feinfühlig

Kennst du weitere?

Wie ich Hochsensibilität bei Eltern wahrnehme

Während sich die Wissenschaft streitet, ob Hochsensibilität tatsächlich ein eigenständiges Merkmal ist oder eine Unterform von anderen Einteilungen, ist es für mich völlig klar. Für mich gibt es Hochsensibilität. Ich finde mich selbst so sehr wieder in den Beschreibungen von Elaine Aron und auch für die hochsensiblen Müttern, mit denen ich in meinen Coachings zusammenarbeite, stimmen die Beschreibungen sehr gut. Hingegen würden wir uns in den Beschreibungen des klassischen Neurotizismus nicht wiederfinden. Und das nicht nur, weil dieser so negativ beschrieben wird.

Auf jeden Fall sind hochsensible Eltern besonders gefordert, indem sie viel mehr Rückzug und Ruhe benötigen. Was mir besonders auffällt ist, dass es den hochsensiblen Müttern, mit denen ich arbeite, sehr wichtig ist, ihre Kinder liebevoll und wertschätzend zu begleiten. Die meisten sind sehr belesen und haben sich schon mit dem Thema Elternsein auseinandergesetzt, sei es über das Lesen von Blogartikeln und Büchern, den Austausch mit anderen Menschen oder durch Selbstreflexion. Sie nehmen ihre Kinder feinfühlig wahr und erkennen eigentlich, was die Kinder bräuchten, doch funktioniert dies in der Umsetzung nicht immer – weil sie überreizt und erschöpft sind und das denke ich, ist oft unter anderem in ihrer Sensibilität begründet.

Besonders hochsensitive Kinder profitieren von Eltern, die ebenfalls feinfühlig sind. Denn diese sind empathisch und feinfühlig, so können sie rascher und wertschätzender auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen. Ich bin überzeugt, dass auch alle anderen Kinder sehr davon profitieren.

So sind Hochsensible wunderbare Eltern, sofern sie es schaffen, gut zu sich zu schauen, sich ihre Auszeiten zu nehmen und sich gegebenenfalls mit ihren Emotionen, Bedürfnissen und Werten auseinandersetzen – also selbstbewusster werden. 

Herausforderungen hochsensibler Eltern

In gewissen Bereichen sind Hochsensitive noch stärker herausgefordert im Alltag mit ihren Kindern, als das Normalsensible schon sind. Doch gibt es auch viele Vorteile und die Hochsensiblen bringen Stärken mit, die ihren Kindern zugutekommen.

Schauen wir erst zu den Herausforderungen;

Überreizung – das ist für mich ganz klar die Nummer 1 der Herausforderungen als hochsensible Mutter. Es ist oft laut, es fehlen Rückzugsmöglichkeiten und die freie Gestaltung des Tages ist schier unmöglich. Wenn die Überreizung gross ist, kann es sich fast anfühlen, als würde man sich selbst verlieren.

Emotionale Abgrenzung – wir begleiten unsere Kinder durch ihre starken Gefühle, während es uns so schwerfällt, uns abzugrenzen. So kann es sein, dass uns diese Gefühle fast mitreissen oder im Gegenzug wir fast etwas stumpf reagieren, weil wir uns zu stark abgrenzen. Die Balance zu finden zwischen Mitfühlen und bei sich Bleiben ist herausfordernd. Insbesondere, wenn wir selbst keinen gesunden Umgang mit gewissen Gefühlen (Wut, Angst, Traurigkeit, Scham) lernen durften.

Überreizte hochsensible Mutter

Erschöpfung – Hochsensible erschöpfen rascher, durch das intensivere Fühlen, Spüren, Riechen, Hören, Schmecken, aber auch durch weitere Eigenschaften, wie dass soziale Interaktionen energieraubend wirken können oder fehlende Struktur und Ordnung.

Perfektionismus – viele Hochsensible haben hohe Ansprüche an sich selbst und manchmal auch an andere. Als Eltern ist es schlicht unmöglich perfekt zu sein, weder im Umgang mit den Kindern noch im Haushalt, bei der Erwerbsarbeit, in Freundschaften oder der Partnerschaft. Dieser Anspruch auf Perfektion erzeugt einen grossen Druck und kann bis zu einem Burnout führen, wenn wir nicht achtsam damit umgehen.

Overtouched fühlen – Hochsensiblen werden rascher die Berührungen zu viel. Besonders mit Babies und Kleinkindern, werden wir viel berührt oder wir stillen auch noch. Vielleicht will ein Kind nachts kuscheln, weil es krank ist oder schläft sowieso nur im Arm. Da kann es zu dem Gefühl des Überberührtseins kommen und man versucht weitere Berührungen zu vermeiden. So hofft man, dass das Kind nicht schon wieder kuscheln oder stillen will oder auch, dass der Partner nicht auch noch den Wunsch nach Zweisamkeit äussert.

Selbstkritik – durch die Fähigkeit sich selbst gut reflektieren zu können, zeigt sich Hochsensibilität bei Eltern teilweise als verstärkte Selbstkritik.

Fehlende Wertschätzung – Hochsensible haben ein grösseres Bedürfnis nach Wertschätzung für erbrachte Leistungen, welche bekanntlich in Familien nicht immer spürbar ist.

Das Bewusstsein um diese Herausforderungen können uns sehr darin unterstützen, besser damit umgehen zu können. Wir können nach Wegen suchen, diese zu minimieren, zu vermeiden, zu verringern oder anderweitig einen anderen Umgang damit zu finden.

Hochsensibilität bei Eltern hat auch viele Vorteile!

Nun wollen wir uns aber den schönen Dingen zuwenden – welche Stärken verbergen sich in der Hochsensibilität, die wir als Eltern einsetzen können:

  • Empathie
  • Kreativität und Fantasie
  • Feinfühligkeit
  • Vernetztes Denken
  • Selbstreflexion
  • Gut zuhören können
  • Vorausschauend sein
  • Gerechtigkeitssinn
  • Gefühlvolle Art
  • Lernfreudigkeit
  • Ehrlichkeit
  • Naturverbundenheit
  • Intuition
  • ausgeprägte, intensive Wahrnehmung über deine Sinne (Sehen, Hören, Riechen,
    Schmecken, Tasten), sowie von Temperatur, Bewegung oder Gleichgewicht
Hochsensibilität bei Eltern, Kreativität

Welche dieser Stärken setzt du tagtäglich im Umgang mit deinen Kindern ein? Gelingt es dir, eine tiefe Bindung mit deinen Kindern aufzubauen, aufgrund deiner ausgeprägten emotionalen Wahrnehmungsfähigkeiten? Die Empathie und Feinfühligkeit im Umgang mit ihren Bedürfnissen und Gefühlen oder die Kreativität im Spiel?

Hochsensibilität bei Eltern – was hilft?

Du weisst nun, dass Hochsensibilität sehr wohl viele Vorteile, Chancen und Stärken hat – doch das hilft nur ein bisschen bei der Bewältigung der Herausforderungen. Was hilft noch?

Akzeptanz

Du bist sensibler als andere Menschen und gewisse Dinge werden dir schwerer fallen. Es ist nicht möglich daran etwas zu verändern, darum ist es so wichtig, diesen Persönlichkeitsanteil anzunehmen und einen guten Umgang damit zu finden. Du hast dafür andere, ganz wunderbare Stärken.

Abgrenzung

Hochsensible können sich oft nur schwer abgrenzen. Der erste Schritt ist es, die eigenen Grenzen besser kennenzulernen und zu erkennen, wann Grenzen überschritten werden. Zusätzlich kann es helfen, einen mentalen Schutzmantel gegen Reize, schlechte Stimmungen oder nervige Personen zu erschaffen.

Selbstbewusstsein

Das Bewusstsein um deiner selbst, deiner Eigenschaften, Stärken, Schwächen, Bedürfnisse, Werte, usw. hilft dir enorm gegen eine Überreizung. Wenn du beispielsweise lernst, deine Bedürfnisse rascher zu erkennen, hast du auch die Möglichkeit, diese zu erfüllen, bevor du überreizt bist und gar nichts mehr geht.

Kommunikation

Hochsensitive Personen neigen dazu nach Interaktionen mehr darüber nachzudenken, wie sie hätten besser reagieren können. Es kann helfen in der Situation erst ganz kurz durchzuatmen, die Situation versuchen aus etwas Distanz zu betrachten (als wärst du ein Zuschauer im Kinosaal) und erst dann zu reagieren. Hat die andere Person es wirklich so gemeint? Wenn ja, ist es dir wichtig? Wenn nein, dann brauchst du nicht zu reagieren. Falls doch – sprich offen an, was für dich schwierig war. Es braucht keinen schlagfertigen Spruch. Denn so cool diese wirken, so wenig bringen sie uns meist weiter.

Selbstfürsorge

Selbstfürsorge ist für alle Menschen essenziell für das Wohlbefinden. Als Eltern wird dieses Thema wichtiger, weil es nicht mehr so einfach gelingt, diese Selbstfürsorge in den Alltag einzubauen. Für hochsensible Eltern gewinnt die Selbstfürsorge nochmals an Wichtigkeit, weil sie ohne Selbstfürsorge rasch konstant überreizt, gestresst und erschöpft sind. So macht die Elternschaft keinen Spass und es fällt schwer, so richtig für alle und alles da sein zu können.

Hier sind einige praktische Tipps und Ideen zur Selbstfürsorge, die speziell hochsensible Eltern unterstützen können:

  1. Tägliche Auszeiten planen: Schaffe täglich kleine Zeiträume, in denen du dich zurückziehen und dich erholen kannst. Dies kann bedeuten, dass du dir 15 Minuten für Meditation, Entspannungsübungen oder einfach nur eine Minute zum Durchatmen nimmst.
  2. Grenzen: Erlaube dir, «Nein» zu sagen, wenn du überfordert bist oder merkst, dass du eine Pause brauchst. Stehe zu deinen persönlichen Grenzen. Dein Wohlbefinden ist mindestens genauso wichtig, wie das der anderen.
  3. Achtsame Pausen einlegen: Mache kurze, achtsame Pausen im Tagesverlauf. Schliesse die Augen, atme tief durch und richte deine Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment. Dies kann in stressigen Situationen Wunder wirken. Du kannst auch eine Atemübung machen oder einen «Bodyscan».
  4. Bewegung und Natur: Suche nach Möglichkeiten, in die Natur zu gehen oder dich körperlich zu betätigen. Ein Spaziergang im Park oder Yoga können dazu beitragen, Stress abzubauen und dich wieder zu erden. Bewegung in der Natur funktioniert auch mit den Kindern wunderbar.
  5. Kreative Ausdrucksmöglichkeiten: Hochsensible Menschen finden oft in kreativen Aktivitäten wie Malen, Schreiben, Musik oder Handwerk eine wertvolle Möglichkeit, sich auszudrücken und Stress abzubauen. Auch hier kannst du gemeinsam mit deinen Kindern Neues ausprobieren. Du kannst mit ihnen zeichnen oder basteln, etwas bauen oder ein Musikinstrument lernen.
  6. Soziale Unterstützung: Sprich offen mit Freunden oder deinem Partner über deine Bedürfnisse und Sorgen. Manchmal kann das einfache Teilen von Gefühlen und Erfahrungen eine grosse Entlastung sein. Lass dich unterstützen. Für viele ist es eine Herausforderung Hilfe anzunehmen und erst recht, diese einzufordern. Versuch es, mit der Zeit wird es einfacher.
  7. Regelmässige Entspannungstechniken: Erlerne Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung oder Atemübungen. Diese können dir helfen, Spannungen zu reduzieren und Ruhe zu finden.
  8. Prioritäten setzen: Konzentriere dich auf das, was wirklich wichtig ist, und reduziere den Druck, alles perfekt machen zu müssen. Es ist in Ordnung, den Haushalt schleifen zu lassen oder nicht sofort auf jede Anfrage zu antworten. Dein Kind braucht keinen bunten Themenkuchen und es ist ok, wenn ihr zwischendurch Fast Food esst.
  9. Selbstmitgefühl: Sei mir dir selbst freundlich und nachsichtig. Ein mitfühlender Umgang mit dir selbst macht die Selbstfürsorge viel einfacher und stellt die Grundlage für ein zufriedenes Leben dar. Rede mit dir selbst so, wie du mit einer guten Freundin reden würdest.
Hochsensibilität

Unterschiedliche Typen der Hochsensibilität

Wir Hochsensitiven sind uns alle ähnlich und doch sind wir nicht gleich. Es gibt introvertierte und extravertierte HSP. Saskia Klaaysen und Jacqueline Knopp haben in ihrem Buch «Her mit den Reizen*» die Information von Elaine Aron mit den High Sensation Seekern (HSS) ergänzt. Denn es gibt auch unter den sensiblen Menschen solche, die neue Reize brauchen, um zufrieden zu sein. Einfach in einer wohldosierten Menge. Ich selbst zähle mich zu den introvertierten hochsensiblen HSS. Während beispielsweise die meisten Hochsensiblen Strukturen mögen und ihnen Unbekanntes eher ein Graus ist, so ist es bei mir gerade umgekehrt. Mir sind zu starre Strukturen ein Graus und Neues zieht mich magisch an.

In dem Buch stellen die Autorinnen vier Typen von Hochsensiblen vor:

Introvertierte ruhesuchende HSP

Zu dieser Kategorie gehören 70% der Hochsensiblen. Sie suchen zum einen Ruhe und zum anderen meiden sie Reize. Oft beobachten sie erst, bevor sie handeln.

Wenn du zu dieser Gruppe gehörst, wirst du auf einer Feier, wo du nicht so viele Menschen kennst, erst am Rand warten und das Geschehen beobachten, bevor du dich unter die Menschen mischst. Nach einer solchen Feier brauchst du Ruhe und Rückzug

Extrovertierte ruhesuchende HSP

Nur 10% der ruhesuchenden Hochsensiblen sind extrovertiert. Das bedeutet, dass sie im Zusammensein mit anderen Menschen Energie tanken können.

Wenn du extrovertiert und hochsensibel bist, wirst du auch erst beobachten, dich jedoch dann ins Getümmel stürzen und kannst dabei sogar Energie tanken. Sofern nicht zu viele andere Reize vorhanden sind.

Introvertierte hochsensible HSS

Die hochsensiblen High Sensation Seeker suchen Reize, gleichzeitig sind sie auch rasch überreizt.

Auch du wirst bei der Feier erst kurz beobachten, jedoch nimmst du rascher am Geschehen teil. Die Lust auf Reize ist dann grösser als die Zurückhaltung und das Bedürfnis nach Risikoabschätzung. Durch deine introvertierte Art, wird dich die Interaktion mit vielen Menschen jedoch auch Energie kosten.

Extrovertierte hochsensible HSS

Etwa 20% der hochsensiblen High Sensation Seeker sind extrovertiert. Sie stürzen sich auch rasch in Gespräche mit anderen Personen und können sogar noch auftanken dabei. Wahrscheinlich fällt bei diesem Typ die Sensibilität am wenigsten auf und es gibt am meisten Überschneidungen zum Beispiel mit ADHS.

Quellen

Aron, Elaine: Das hochsensible Kind: Wie Sie auf die besonderen Schwächen und Bedürfnisse Ihres Kindes eingehen. Goldmann Verlag. 2013

Aron, Elaine: Hochsensible Eltern: Zwischen Empathie und Reizüberflutung – wie Sie Ihrem Kind und sich selbst gerecht werden. mvg Verlag. Kindle-Version.

Aron, Elaine: Die besondere Stärke hochsensibler Menschen: Wie Sensibilität zur Kraft wird. Goldmann Verlag. 2014

Blach, C., & Egger, J. W. (2014). Hochsensibilität–ein empirischer Zugang zum Konstrukt der hochsensiblen Persönlichkeit. Psychologische Medizin, 25(3), 4-16.

Lange, H. M., & Lux, V. (2021). Hochsensibilität: Einblicke in die Forschung der Arbeitseinheit Genetic Psychology an der Ruhr-Universität Bochum.

Lionetti, F., Pastore, M., Moscardino, U., Nocentini, A., Pluess, K., & Pluess, M. (2019). Sensory processing sensitivity and its association with personality traits and affect: A meta-analysis. Journal of Research in Personality, 81, 138-152.

Michaelis, B., & Michaelis, S.: Hochsensibel – Was tun? Der innere Kompass zu Wohlbefinden und Glück. Kösel-Verlag. 2013