Viele Eltern möchten heute mit ihren Kindern in Verbindung sein, sie möchten sie bestmöglich in ihrer Entwicklung begleiten und wünschen sich ein liebevolles Miteinander. Vielleicht geht es auch dir so und darum bist du hier gelandet – denn du interessierst dich für eine beziehungs- oder bedürfnisorientierte Erziehung.

Bei der bedürfnisorientierten Erziehung oder Begleitung handelt es sich nicht um erzieherische Techniken oder Massnahmen, wie man sie aus anderen Erziehungsstilen kennt.

Viel eher handelt es sich dabei um eine Grundhaltung dem Kind gegenüber. Die Eltern sehen sich als Begleiter des Kindes auf einem Stück seines Weges, das Kind wird bedingungslos angenommen und als eigene Persönlichkeit gesehen, welche nicht erst «richtig» gemacht werden muss.

Eine wichtige Grundlage dabei ist, zu versuchen in Verbindung mit dem Kind zu bleiben, auch in herausfordernden Situationen. Auch sind alle Bedürfnisse und Gefühle in Ordnung und es wird auf diese Bedürfnisse Rücksicht genommen.

Hier kannst du dir den Podcast dazu anhören:

1. Auch die Bedürfnisse der Eltern sind in der bedürfnisorientierten Erziehung wichtig

Etwas, womit Eltern oft hadern, wenn sie sich neu mit dieser Begleitung der Kinder befassen ist, dass ihre eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen. So gehen sie zwar sehr feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes ein und versuchen diesen gerecht zu werden, doch die eigenen Bedürfnisse geraten in Vergessenheit.

Das ist auch schon der erste Faktor, der wichtig ist, damit die bedürfnisorientierte Begleitung gelingt. Denn werden die eigenen Bedürfnisse übergangen, werden wir  mit der Zeit erschöpft, wütend, genervt, traurig oder gestresst. In diesem Zustand verlieren wir einen Teil unserer Empathiefähigkeit, was es unmöglich macht, noch feinfühlig auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen.

Um die eigenen Bedürfnisse im Blick zu haben – nicht nur im Zusammenhang mit einer bedürfnisorientierten Erziehung – ist es wichtig, diese überhaupt zu kennen. Ich bin überzeugt, dass es für alle Eltern Sinn macht, sich mit den eigenen Bedürfnissen etwas tiefer auseinander zu setzen. Wenn du das gerne möchtest, dann könnte die Mamaleicht Community vielleicht etwas für dich sein? Hier gehen wir den unterschiedlichsten Faktoren und Hintergründe im Zusammenhang mit deiner Elternschaft und auch deiner persönlichen Entwicklung auf den Grund. So schaffst du eine wunderbare Grundlage für ein liebevolles Miteinander auf Augenhöhe, ohne dass dir dauernd irgendwelche Trigger und Gefühlsausbrüche dazwischen kommen.

Die wichtigsten Bedürfnisse können können in drei Kategorien unterteilt werden;

  • Grundbedürfnisse: Bedürfnisse nach Nahrung, Schutz, Wärme und Schlaf
  • Zugehörigkeitsbedürfnis: Bedürfnisse nach emotionaler Zuwendung, Geborgenheit und Sicherheit
  • Autonomiebedürfnis: Bedürfnisse nach Eigenständigkeit, Erkundung und Selbstwirksamkeit

Wenn dein Kind also mit grossen Gefühlen oder Aggression auf etwas reagiert, kannst du ziemlich sicher sein, dass es – sofern es genug gegessen und geschlafen hat – entweder Verbundenheit oder Autonomie sucht.

Auch für uns Erwachsene sind es oft diese Bedürfnisse, die gerne Beachtung finden möchten. Hinter dem Gefühl etwas zu wollen steht oft der Wunsch dazu zu gehören oder nach Eigenständigkeit.

Diese einfache Einteilung der Bedürfnisse kann auch helfen zwischen Wunsch und Bedürfnis zu unterscheiden. Dies ist der zweite Faktor, der für eine bedürfnisorientierte Erziehung wichtig ist. Denn Wünsche müssen nicht erfüllt werden, Bedürfnisse schon.

Die menschlichen Bedürfnisse, weitere Möglichkeiten, diese einzuteilen

Nora Imlau zählt in ihrem Elternkompass* folgende auf:

Körperliche Bedürfnisse

  • Luft zum Atmen
  • Nahrung
  • Schlaf
  • Berührung und Stimulation
  • Körperliche Unversehrtheit und Schmerzfreiheit

Seelische Bedürfnisse

  • Liebe und Fürsorge
  • Anerkennung und angenommen sein
  • Nähe und Bindung
  • Autonomie und Selbstwirksamkeit
  • Halt und Begrenzung
  • Emotionale Sicherheit und Geborgenheit

Tony Robbins* definiert hingegen 6 menschliche Grundbedürfnisse:

  1. Sicherheit
  2. Abwechslung
  3. Bedeutung und Sinn
  4. Liebe und Verbundenheit
  5. Persönliches Wachstum
  6. Sozialen Beitrag leisten

Zusätzlich gibt es ausführliche Listen, um die eigenen Bedürfnisse zu identifizieren. Hier kannst du dir meine Version einer Liste mit menschlichen Bedürfnissen herunterladen.

Bedürfnisliste für eine bedürfnisorientierte Erziehung

Praktische Übung zu deinen Bedürfnissen – als Grundlage für eine bedürfnisorientierte Erziehung

Nimm die Bedürfnisliste, identifiziere deine wichtigsten Bedürfnisse und beantworte dazu folgende Fragen:

  • Welche Bedürfnisse befriedigst du, wenn sie aufkommen?
  • Welche kommen bei dir zu kurz?
  • Sammle Ideen, wie du diese Bedürfnisse auch noch befriedigen könntest. Sammle dazu alles, was dir in den Sinn kommt. Auch wenn Gedanken aufkommen wie «das geht ja gar nicht» oder «dafür habe ich keine Zeit» – einfach sammeln.

Damit du deine Bedürfnisse auch deiner Familie kommunizieren kannst:

2. Wünsche müssen nicht erfüllt werden, Bedürfnisse hingegen schon

Wenn dein Kind ein Eis möchte, dann ist das kein Bedürfnis. Das Bedürfnis könnte Hunger sein, der auch mit etwas anderem gestillt werden könnte. Es könnte aber auch ein Zugehörigkeitsbedürfnis sein, wenn beispielsweise ein anderes Kind auch ein Eis bekommt oder ein Autonomiebedürfnis, wenn dein Kind selbst entscheiden möchte, was es isst.

Kannst du die beiden Dinge voneinander unterscheiden, gelingt es viel besser mit deinem Kind eine andere Lösung zu finden. Beispielsweise, weil es dir wichtig ist, dass es nicht allzu viel Zucker isst und es heute schon ein Eis bekommen hat.

So gelingt der Einstieg in eine bedürfnisorientierte Erziehung. Denn zu erkennen, wer gerade welche Bedürfnisse hat und welche Bedürfnisse hinter einem Gefühl oder Wunsch stehen, ist ein wichtiger Schritt.

Was passiert denn eigentlich, wenn wir Bedürfnisse ignorieren?

Wenn ein Baby beispielsweise Nuckelbewegungen mit dem Mund macht, dann kann das bedeuten, dass es trinken möchte. Reagieren wir nicht darauf, so beginnt es vielleicht an der Hand zu nuckeln, reagieren wir immer noch nicht, so beginnt es zu weinen.

Bei grösseren Kindern läuft das genau so, nur dann vielleicht mit Schreien oder Schlagen. Je nach Kind können sie mit der Zeit auch lernen gewisse Bedürfnisse zu unterdrücken. Diese werden sich jedoch irgendwie irgendwo an einer anderen Stelle wieder zeigen. Sei es durch Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit, Krankheit oder einen geringeren Selbstwert.

Wenn ein Kind das Gefühl bekommt, dass seine Bedürfnisse nicht ok sind, dann wird es an sich zweifeln und verliert Selbstvertrauen. Vielleicht verstellt es sich, steht nicht mehr für sich ein und verliert das Gefühl dafür, was es wirklich braucht.

Alles Eigenschaften, die wir als Erwachsene versuchen mühsam wieder aufzubauen. Also lassen wir doch unsere Kinder diese behalten. Dafür können wir viele andere Fehler machen (und die werden wir machen), welche unsere Kinder als Erwachsene hoffentlich ein bisschen weniger mühsam wieder ausbügeln.

Auch uns Erwachsenen tut es nicht gut, wenn wir unsere Bedürfnisse ignorieren. Vielleicht haben wir dies selbst als Kinder gelernt und tun uns nun schwer, dies wieder zu verändern. Oft haben sich daraus auch Glaubenssätze entwickelt und diese stehen uns nun beim Versuch bedürfnisorientiert mit unseren Kindern umzugehen im Wege.

Werden Bedürfnisse ausreichend erfüllt

Die Betonung liegt hier ganz klar auf ausreichend. Denn nicht alle Bedürfnisse müssen ständig völlig erfüllt sein, sondern ausreichend genügt.

Fühlt sich das Kind angenommen und sicher. Es weiss, dass es selbst und seine Bedürfnisse wichtig und richtig sind. Es fühlt sich verbunden und gesehen. Das Kind lernt auf sich und seinen Körper zu hören und lernt zu kommunizieren, was es braucht. Es entwickelt Autonomie, Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit.

Auch uns Erwachsene machen erfüllte Bedürfnisse zufrieden. Sie sind eine wichtige Grundlage für ein funktionierendes Miteinander in der Familie.

3. Bedürfnisse können wir aufschieben, ignorieren sollten wir sie in der bedürfnisorientierten Erziehung hingegen nicht

Im Gegensatz zu Kindern gelingt es uns auch, unsere Bedürfnisse aufzuschieben. Schon die Aussicht auf Erholung am Abend, wenn das Kind schläft, kann am Tag helfen das Bedürfnis nach Ruhe noch kurz unbefriedigt lassen.

Dies ist der dritte Faktor, der bei einer Bedürfnisorientierten Erziehung wichtig ist; Wir können Bedürfnisse aufschieben, jedoch nicht komplett ignorieren.

Ein Neugeborenes kann seine Bedürfnisse noch nicht aufschieben, darum ist es wichtig, diese möglichst zeitnah zu erfüllen. Je grösser ein Kind wird, desto besser kann es lernen seine Bedürfnisse kurze Zeit aufzuschieben. Dies ist auch wichtig für seine Entwicklung, solange es seiner Entwicklung entsprechend geschieht.

Auch verändert sich unsere Fähigkeit Bedürfnisse aufzuschieben je nach Tagesform und danach wie viele unbefriedigte Bedürfnisse schon da sind.

Die drei wichtigen Faktoren, damit eine bedürfnisorientierte Erziehung gelingt sind:

  1. Bedürfnisse der Eltern sind genau so wichtig
  2. Wünsche und Bedürfnisse sind unterschiedliche Dinge
  3. Bedürfnisse können wir aufschieben, jedoch nicht komplett ignorieren